Beatriz Busaniche – Geistige Eigentumsrechte und Freihandelsabkommen

Eine unendliche Geschichte

Beatriz Busaniche

Man stelle sich eine Gruppe transnationaler Unternehmen vor, die über Monopole in der Pharmaindustrie, der Informations- und Kommunikationsindustrie und der Unterhaltungsbranche verfügt. Diese Gruppe konzentriert nun ihre Lobbyaktivitäten darauf, die Regierungen der Industrieländer dieser Welt zu bewegen, den Entwicklungsländern die »Harmonisierung« des globalen Systems der intellektuellen Eigentumsrechte aufzuzwingen. Genau das geschah in den 1990er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals gelang es den USA, der Europäischen Union und Japan, die verschiedenen Aspekte der »Geistigen Eigentumsrechte« in die Handelsagenda aufzunehmen. Mit der Unterzeichnung des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte am Geistigen Eigentum (TRIPS) wurden Mindeststandards für die weltweite Durchsetzung dieser Eigentumsrechte gesetzt. Zudem wurde ein Konfliktlösungsmechanismus eingeführt, der die Anwendung und Einhaltung dieser Standards garantieren soll.

Eigentlich überrascht es, dass auch die Entwicklungsländer der Aufnahme des Themas der Rechte an Geistigem Eigentum in die WTO-Verträge zugestimmt haben, statt dies in der WIPO, der Weltorganisation für Geistiges Eigentum, zu behandeln. Das hängt damit zusammen, dass die WTO mit einem Streitschlichtungsverfahren ausgestattet ist, welches ermöglicht, gegen Staaten, die sich nicht an die vereinbarten Regeln halten, Sanktionen oder Strafmaßnahmen durchzusetzen.

Angesichts der spärlichen Verhandlungsfortschritte in der 2001 begonnenen sogenannten DOHA-Runde der WTO und wegen des Widerstands der Entwicklungsländer bei Themen wie Patente und Öffentliche Gesundheit1 gingen die Industrieländer zu der Strategie über, zwei unterschiedliche Vertragstypen voranzutreiben: die Investitionsschutzabkommen einerseits und die Freihandelsabkommen andererseits. Darüber wurde der sogenannte TRIPS-Plus-Prozess in Gang gesetzt. Als TRIPS-Plus bezeichnet man Klauseln, die den Geltungsbereich und die Dauer der Rechte Geistigen Eigentums ausweiten und Rechtskonstrukte einführen, die es in TRIPS noch nicht gab. Die Ausnahmeregelungen und die Flexibilität, die TRIPS noch bietet, werden durch TRIPS-Plus minimiert.

Die Europäische Union und die USA sind in der Unterzeichnung von Freihandelsverträgen besonders aktiv. Bis 2011 hat die USA 17 rechtskräftige Abkommen unter Dach und Fach gekriegt, einige davon mit Ländergruppen. Die Europäische Union hat Verträge mit Chile, Mexiko, Korea sowie Südafrika und verhandelt unter anderem mit Indien, den ASEAN-Staaten und dem Mercosur. In diesen Verträgen gibt es Kapitel zum Geistigen Eigentum, die TRIPS-Plus-Klauseln enthalten. In dem 2011 zwischen der EU und Korea unterzeichneten Vertrag stehen beispielsweise folgende Vereinbarungen:

  • Die Dauer der Patente auf Medikamente2 beträgt bei TRIPS 20 Jahre. Nun sind weitere 5 Jahre vorgesehen, um die Patentinhaber für die Zeit zu entschädigen, die zur Beschaffung von Versuchsdaten für die Vermarktung eines Medikamentes in einem bestimmten Territorium notwendig ist. Das Monopol wurde somit auf 25 Jahre ausgeweitet.
  • Mit dem exklusiven Schutz dieser Versuchsdaten für Medikamente und Pestizide wurde eine neue Figur eingeführt, die in TRIPS nicht existierte und sogar explizit aus den TRIPS-Verhandlungen herausgehalten wurde. Diese Figur zum Schutz von Versuchsdaten behindert den Markteintritt von Generika. (Nach dem Europäischen Generikaverband EGA sind Generika solche Medikamente, die Markenprodukten wirkstoffgleich und therapeutisch äquivalent sind; sie unterliegen den gleichen Wirksamkeits- und Sicherheitskontrollen. Generika können erst dann produziert werden, wenn der Patentschutz auf das Markenmedikament ausgelaufen ist. Die Produktion von Generika stimuliert den Wettbewerb und führt dazu, dass die Marktpreise für Arzneimittel fallen. Diese zusätzliche Hürde, die bereits im Freihandelsvertrag zwischen der EU und Zentralamerika/Dominikanische Republik festgehalten wurde, hat zur Folge, dass die Flexibilität von TRIPS verschwindet; darin war es den Ländern noch gestattet, Versuchsdaten gegen unlauteren Wettbewerb [und nicht als Geistiges Eigentum] zu schützen.)3
  • Die Unterzeichnung der Internetverträge der WIPO (WCT und WPPT)4 bringt weitere Pflichten mit sich, die über die WTO-Verträge hinausgehen. Beispielsweise verpflichten sie zum Einsatz technischer Schutzmaßnahmen (DRM). Diese werden genutzt, um kontrollieren zu können, was der Nutzer mit digitalen Werken tut. Mit ihnen kann man bestimmen, ob Kopien erstellt werden können oder nicht, ob man etwas ausleihen und ein- oder zweimal lesen darf. Ob man es mit anderen teilen oder – im Falle von Texten – ausdrucken kann oder nicht. Das DRM reguliert über die Technologie, wie oft und unter welchen Bedingungen ein digitales Werk nutzbar ist. In einigen Gesetzen – wie zum Beispiel dem Digital Millenium Copyright Act der USA – wird das Umgehen solcher technischer Maßnahmen unter Strafe gestellt, selbst wenn damit ein Recht ausgeübt wird – etwa das Recht auf Zugang zu gemeinfreien Werken oder auf die »faire Nutzung«5 nicht gemeinfreier Werke.6
  • Hinzu kommt, dass die Freihandelsverträge seit einigen Jahren mit neuen Klauseln ausgestattet sind. Diese beziehen sich auf die Mitverantwortung der Anbieter im Internet – seien es Suchmaschinen, Provider von Internetseiten oder anderen Dienstleistungen. Sie werden mitverantwortlich gemacht für das, was die Nutzer im Internet tun, wenn sie nicht überwachen, kontrollieren oder angesichts einer Urheberrechtsklage schnell reagieren (ohne dass dafür unter anderem spezifiziert werden müsste, um welches Delikt es sich handelt, wie dem xt des Freihandelsvertrages zwischen der EU und Korea zu entnehmen ist)7.[8 | Siehe unter: http://cidh.org/relatoria/showarticle.asp?artID=848&lID=2 (Zugriff am
    02.10.2011).]
  • Eine weitere Flexibilität von TRIPS, die mit der Unterzeichnung der Freihandelsverträge eingeschränkt wird, ist die Möglichkeit, dass jedes Land eine Art Sui generis-Schutz8 für Pflanzensorten entwickelt, da die Verträge die Verpflichtung einschließen, dass jedes Land das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV 91)9 ratifiziert. Auch in der UPOV gab es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Veränderungen vor allem hinsichtlich der Wiederverwendung von Saatgut. Das hatte direkte Konsequenzen für die Bauern. Die Mitglieder der UPOV hatten auf drei Gebieten Änderungsanträge zu UPOV 91 eingebracht: die Ausweitung der Reichweite des Pflanzenschutzes, die Ausweitung der Rechte des Züchters sowie die Begrenzung der Nutzungsmöglichkeiten von Varianten. Während TRIPS es den einzelnen Ländern noch ermöglicht, diese Fragen entsprechend den Bedürfnissen im jeweiligen Land zu regeln, verpflichten die TRIPS-Plus-Klauseln zur Unterzeichnung der Akte von 1991 der UPOV – und zwar mit allen weiteren Einschränkungen, die das birgt.

Der Anti-Commons-Charakter der Freihandelsverträge

Wenn wir von der Idee ausgehen, dass das Wissen und das Recht, Wissen zu teilen und zu reproduzieren, für die Commons essentiell ist, und wenn wir uns erinnern, dass Commons immer aus drei Elementen bestehen – den zu teilenden Ressourcen (auch »common pool resources«)10, den von Konsens getragenen Normen und Regeln sowie den Gemeinschaften der Nutzerinnen und Nutzer –, dann ist der Anti-Commons-Charakter der Freihandelsverträge ganz offensichtlich.
Die in ihnen enthaltenen Aspekte Geistigen Eigentums weiten den Bereich des Eingezäunten aus und betreffen nun noch mehr Dinge, die uns bisher gemein waren und die in vielen Gemeinschaften ganz klar wie Commons behandelt werden. In anderen Worten: Die Freihandelsverträge sind ein modernes Element der »Einhegung der Allmende«. 11

Ein Beispiel dafür ist das Saatgut und die Beschränkung seiner Reproduktion und gemeinschaftlichen Pflege, so wie er in UPOV 91 zum Ausdruckt kommt. Dieser Vertrag droht im Grunde den ländlichen Gemeinschaften damit, dass sie in Zukunft das einheimische Saatgut, welches sie seit Hunderten von Jahren austauschen, pflegen und verbessern, nicht mehr aufbewahren und weiterverteilen können. Sie werden es stattdessen für jede neue Aussaat von Saatgutproduzenten kaufen müssen.

Prinzipien des internationalen Handels

Meistbegünstigungsprinzip (auch: MFN-Prinzip): Dieses in den WTO-Verträgen etablierte Prinzip verpflichtet jedes Mitglied, jedes andere WTO-Mitglied gleich zu behandeln. Die Mitgliedsländer können normalerweise keine Unterschiede zwischen ihren verschiedenen Handelspartnern machen. Wird einem Land ein spezifischer Handelsvorteil gewährt – zum Beispiel Zollsenkungen auf ein bestimmtes Produkt –, muss derselbe Vorteil auch allen anderen Mitgliedsländern gewährt werden. Dieses Prinzip kommt auch in den Verträgen zum Geistigen Eigentum zur Anwendung.

Inländergleichbehandlung: Die Mitglieder der WTO verpflichten sich zur Gleichbehandlung von nationalen und internationalen Handelspartnern. Importierte Waren und solche, die im Land hergestellt werden, müssen in gleicher Weise behandelt werden, zumindest nachdem die ausländischen Waren in den jeweils nationalen Markt eingetreten sind. Dasselbe gilt für ausländische und inländische Dienstleistungen und für Handelsmarken, für Autorenrechte und für ausländische und inländische Patente. Dieses Prinzip der »Inländergleichbehandlung« – den Anderen genauso behandeln wie die Einheimischen – ist auch Teil der drei wichtigsten Verträge der WTO (Artikel 3 des GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen), Artikel 17 von GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) und Artikel 3 von TRIPS, auch wenn es in jedem der Verträge etwas anders formuliert ist.
Quelle: Die WTO verstehen. Die Prinzipien des Handelssystems, http://www.wto.org (Zugriff am 27.12.2011).

Der Griff nach der Public Domain und der Wissensallmende

Die gesamte Rechtsarchitektur zum Geistigen Eigentum, so wie sie seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bis heute aufgebaut wurde, ist davon geprägt, dass sie die Gemeingüter einzäunt – angefangen mit der Ausweitung der Dauer der Monopolrechte in den genannten Bereichen (Kultur, Saatgut, öffentliche Gesundheit). Andererseits ist da die praktische Schrumpfung der Public Domain sowie die Ausdehnung des Geltungsbereiches der Rechte Geistigen Eigentums auf Gebiete, die man sich noch vor kurzem nicht hätte vorstellen können. Wenn vor fünf Jahrzehnten jemand gesagt hätte, dass eine Pflanze, ein Gen, ein mathematischer Algorithmus jemandes Privateigentum sein könnte, hätten wir gedacht: Das ist doch verrückt. Doch de facto wurde 1980 das erste Patent auf einen Mikroorganismus erteilt,12 im selben Jahr der erste mathematische Algorithmus patentiert,13 und in etwa dieser Zeit begann auch das Rennen um die Patentierung von Genen, Pflanzen und Saatgut. Die zunehmende Monopolisierung in diesen Bereichen wird auch über die Konfliktschlichtungsmechanismen der Freihandelsverträge verstärkt.

In der WTO kann ein Land das andere zur Streitschlichtung der WTO zitieren und Wiedergutmachung fordern, wenn es WTO-Standards verletzt sieht. Im Falle der Verträge zum Investitionsschutz können es sogar die Firmen selbst sein, die ein Land verklagen und vor das ICSID (das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) bringen, weil sie ihre Gewinnmöglichkeiten geschmälert sehen. Vielsagend ist der Fall Phillip Morris gegen Uruguay, wegen Uruguays Anti-Tabakpolitik. Es ist der erste Fall zu Rechten Geistigen Eigentums, der vom ICSID verhandelt wurde.

Philip Morris gegen Uruguay

Viele Länder, die noch keinen Freihandelsvertrag mit den USA oder der Europäischen Union unterschrieben haben wie Argentinien oder Uruguay, haben indes Investitionsschutzabkommen unterzeichnet, die in Sachen Geistigen Eigentums ähnlich wirken. Die entsprechenden Rechte werden zu den durch die Verträge zu schützenden Investitionen gezählt. Der Fall des Tabakkonzerns Philip Morris gegen Uruguay ist paradigmatisch, denn es ist der erste Fall, in dem sich ein Konzern auf die vorgebliche Verletzung seines Rechts auf Geistiges Eigentum beruft – in diesem Fall das Markenrecht. Philip Morris stützt sich dabei auf den Vertrag zum Gegenseitigen Investitionsschutz, den Uruguay mit der Schweiz abgeschlossen hat. Der Konzern verklagte den Staat Uruguay am 26. März 2010 vor dem Streitschlichtungspanel der Weltbankgruppe (ICSID). Er führt an, dass der neue gesundheitspolitische Anti-Tabak-Kurs Uruguays einer indirekten Enteignung einer Investition ohne Entschädigung gleichkäme, die der Vertrag schütze.[15 | Weitere Informationen in spanischer Sprache: Dossier Demanda Philip Morris a Uruguay en el Ciadi, Friends of the Earth Uruguay, siehe unter: http://www.redes.org.uy/wp-content/uploads/2010/04/Dossier-Philip-MorriS-Uruguay_abril-2010.pdf.]

Wer bestimmt die Regeln?

Die Regeln und Normen, mit denen Gemeinschaften ihre kollektiven Ressourcen verwalten, sind für den Erhalt und die Weiterentwicklung dieser Ressourcen entscheidend. Der gegenwärtige Rechtsrahmen und die Regulierungen zum Geistigen Eigentum im Rahmen der Freihandelsverträge und Investitionsschutzabkommen haben wenig mit einem konsensbasierten System zu tun, das die Interessen der betroffenen Menschen und Gemeinschaften tatsächlich berücksichtigt. Die meisten Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird über bereits vorgefertigte Dokumente diskutiert. Parallel dazu gibt es Verhandlungen über Zollsenkungen, öffentliche Beschaffung, öffentliche Ausschreibungen und Investitionen. Nicht selten werden dann Klauseln zum Geistigen Eigentum von den Entwicklungsländern als Verhandlungsmasse eingesetzt, um in den Handelsvereinbarungen bestimmte Vergünstigungen zu erreichen.
So handeln üblicherweise Länder, die ein bestimmtes Produkt exportieren, Handelsvorteile für dieses Produkt aus und machen im Gegenzug Zugeständnisse in Sachen der Rechte zum Geistigen Eigentum. Diese Logik greift für Länder, die ein hohes Einkommen mit einer bestimmten Monokultur oder einem regionaltypischen Produkt erzielen, wie das für Chile (Kupfer) oder Argentinien (Soja) der Fall ist. Daher hat Marktzugang für diese Produkte aus Sicht der Verhandlungsdelegation der entsprechenden Länder in der Regel Priorität.

Auf der anderen Seite übernehmen die Freihandelsverträge von GATT und WTO die Logik, dass die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, bis nicht das ganze Paket verhandelt ist. Das hat zur Folge, dass die Verhandlungsdelegationen die Vertragsverhandlungen Schritt für Schritt vorantreiben und erst abschließen, wenn ein Schlussdokument vorliegt, das die Regierungen ratifizieren. Dieses Dokument soll dann nicht noch einmal aufgeschnürt und diskutiert werden. Erst in diesem letzten Moment aber wird der verhandelte Vertrag den Parlamenten der Unterzeichnerstaaten vorgelegt, die keinerlei Handlungsspielraum mehr haben, etwas einzubringen oder zu verändern. Sie werden schlicht gebeten, den Vertrag anzunehmen oder abzulehnen. Er muss als geschlossenes Paket angenommen werden, will man das Platzen der Gesamtverhandlungen verhindern. Auf den Punkt gebracht heißt das: Die Regulierung14 liegt völlig in der Hand der Verhandlungsdelegationen, die Handelsinteressen vertreten. Die Möglichkeit politischer Einflussnahme auf diese ist sehr gering. Das gilt auch für die Gesetzgeber der unterzeichnenden Länder.

Die Rolle der Gemeinschaften

Es ist klar, dass die Regulierung Geistigen Eigentums weit davon entfernt ist, die Möglichkeit zuzulassen, dass die Gemeinschaften selbst ihre Gemeingüter schützen und erhalten. Die Zäune, die durch TRIPS errichtet wurden und die durch Freihandelsverträge und Investitionsabkommen weiter verstärkt werden, lassen den Nationalstaaten nur minimale Handlungsmöglichkeiten, die vor einem Konfliktschlichtungspanel des Welthandels enden würden. Kann man erwarten, dass Regierungen Gemeingüter verteidigen und schützen, wenn dieselben Regierungen Freihandelsverträge unterzeichnen? Unzählige Gemeinschaften und ebenso viele Commons werden von diesen Vereinbarungen zerrieben oder sind in irgendeiner Weise betroffen; doch die Möglichkeit, auf den Verlauf der Verhandlungen Einfluss zu nehmen, ist spärlich bzw. existiert nicht. Dieser globalisierte Rechtsrahmen kommt dem Entzug des Rechts auf Selbstorganisation gleich, er minimiert Räume der Gemeinschaftlichkeit, privatisiert, was bislang gemeinfrei war, und macht Dinge, die zur Alltagskultur gehörten, wie der Austausch von Saatgut oder das Teilen von Kultur, illegal.

Eine scheinbar endlose Geschichte

Das Panorama angesichts dieser Anti-Commons-Verträge könnte entmutigender nicht sein: Die inter-regionalen Verhandlungen wie jene zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union, die 2010 wieder aufgegriffen wurden, sowie die Unterzeichnung bilateraler Verträge, so wie die EU sie derzeit mit Indien verhandelt und 2011 mit Korea abschloss, und zahlreiche bilaterale Verträge, die überall auf der Welt unterzeichnet werden, zeigen deutlich, dass diese Einhegungsstrategie Stück für Stück vorankommt. Bis TRIPS-Plus überall erreicht ist. Das wird für einen Durchbruch in der Doha-Runde der WTO sorgen, die endlos zu sein scheint.

Wir müssen nicht nur die Commons vor neuen Einhegungen schützen, sondern auch jene Commons zurückholen, die den Menschen allmählich entzogen worden sind. Damit dies gelingt, müssen wir uns der vielleicht utopischen, aber strategischen Aufgabe stellen, die Gemeingüter der globalen Handelsagenda zu entziehen.


  1. Tatsächlich war das wichtigste Ergebnis der Doha-Runde die »Doha-Erklärung über Geistige Eigentumsrechte und Öffentliche Gesundheit«, die die Mitgliedsstaaten dazu ermutigt, sich auf die Ausnahmeregelungen von TRIPS zu beziehen, um den Zugang zu Medikamenten zu verbessern.
  2. Siehe auch den Artikel von Christine Godt, Christian Wagner-Ahlfs und Peter Tinnemann in diesem Buch (Anm. der Hg.).
  3. Artikel 39.3 von TRIPS bezieht sich auf alle Informationen, die die Hygienebehörden eines Landes benötigen, um den Handel mit einem bestimmten pharmazeutischen oder chemischen Produkt im jeweiligen Land zu erlauben. Der Text verpflichtet nur dazu, solche Versuchsdaten gegen unlauteren Handel zu schützen, da sie eine beträchtliche Anstrengung erforderten. Weiterhin legt Artikel 39.3 fest, dass die Mitglieder diese Daten vor dem Vertrieb schützen müssen, es sei denn, die Verbreitung der Daten ist notwendig, um die Öffentlichkeit zu schützen oder Schutzmaßnahmen gegen unlautere Nutzung der Daten zu ergreifen. In diesem Fall verweist das Konzept des unlauteren Handels auf Artikel 10b der Pariser Konvention. Es stellt also keine weitere Rechtskonstruktion zum Geistigen Eigentum im Sinne von Ausschlussrechten dar. Ein gutes Beispiel dafür ist das Gesetz 24766 von Argentinien. Es nutzt die volle Flexibilität von TRIPS, indem es den Vertrieb von Generika erlaubt, sofern ein Beweis für Wirkstoffgleichheit des Medikaments vorliegt, und verlangt nicht die Vorlage neuer Versuchsdaten (was den Markteintritt von Generika erheblich verzögern würde).
  4. Gemeint sind der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty, WCT) und der WIPO-Vertrag über Künstlerische Darbietungen und Tonträger (WIPO Phonograms and Performance Treaty, WPPT).
  5. »Fair use« (dt.: angemessene Verwendung) ist ein Prinzip des anglo-amerikanischen Urheberrechtssystems, kodifiziert in § 107 des US-amerikanischen Copyright Act, nach dem es erlaubt ist, geschütztes Material etwa für Bildungszwecke zu nutzen. »Fair use« erfüllt eine vergleichbare Funktion wie die Schrankenbestimmungen des kontinentaleuropäischen Urheberrechts (Anm. der Hg.).
  6. Diese Art der Regulierung (im Englischen »anti-circumvention measures«, Anti-Umgehungsmaßnahmen) wurde bereits 1996 in die WIPO-Verträge aufgenommen. In emblematischer Form findet sie sich aber in besagtem Digital Millenium Copyright Act der USA, angenommen 1998: http://www.copyright.gov/legislation/dmca.pdf (Zugriff am 28.12.2011).
  7. Die Klauseln zu den Internetdiensten finden sich in den Artikeln 10.63 bis 10.65 des Kapitels für Geistiges Eigentum des Vertrages zwischen der Europäischen Union und Korea. Darin legen die Unterzeichnerstaaten fest, dass ein Anbieter nicht für die Handlungen der Nutzer verantwortlich gemacht wird, sofern er: »(a) nichts von den illegalen Aktivitäten oder Informationen weiß und, was Schadensersatzansprüche betrifft, sich der Fakten oder Umstände der illegalen Aktivitäten oder Informationen nicht bewusst war; oder (b) nachdem er Kenntnis erhalten hat oder die Umstände bewusst wurden, umgehend handelte, um den Zugang zu dieser Information zu verhindern«.
  8. Im Kontext der Verhandlungen zu Rechten des Geistigen Eigentums ist ein Sui generis-Schutz eine Form des Rechtsschutzes, die nur in einem bestimmten Land zur Anwendung kommt. So hat zum Beispiel Indien ein eigenes Saatgutgesetz, das eine Sui generis-Lösung darstellt. Daher hat Indien auch UPOV 91 nicht unterzeichnet, wie in den Freihandelsvertragsverhandlungen mit der EU vorgesehen.
  9. Das Übereinkommen wurde 1961 unter Dach und Fach gebracht und zuletzt im März 1991 revidiert (Anm. der Hg.).
  10. Siehe dazu auch den Beitrag von Madison et al. in diesem Buch (Anm. der Hg.).
  11. Siehe dazu die Beiträge von Peter Linebaugh und Hartmut Zückert zu Beginn dieses Kapitels (Anm. der Hg.).
  12. Dem ging der Fall Diamond vs. Chakrabarty (1980) voraus, siehe: http://supreme.justia.com/us/447/303/case.html (Zugriff am 09.10.2011).
  13. Der erste entsprechende Fall war Diamond vs. Diehr (1981), siehe unter: http://supreme.justia.com/us/450/175/ (Zugriff am 09.10.2011). Zur Geschichte der Software-patente siehe unter: http://www.bitlaw.com/software-patent/history.html.
  14. Man könnte sagen »die De-facto-Gesetzgebung« (Anm. der Hg.).
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