James B. Quilligan – Warum wir Commons von öffentlichen Gütern unterscheiden müssen

James B. Quilligan

Die verheerende Rezession von 2008/2009 hat die Aufmerksamkeit auf die globale Wirtschaft gelenkt. Zunehmend besteht Einigkeit darüber, dass wir bessere Regulierungen, Gesetze und Institutionen brauchen. Doch wie kann ein neues Wirtschaftssystem fair und gerecht werden? Niemand weiß das wirklich, aber sicher ist: Der politische Wille, ein demokratisches Wirtschaftssystem zu errichten, kann erst reifen, wenn wir besser verstehen, was genau passiert. Zudem darf eine Ökonomie des Teilens nicht auf politischen Interessen oder Ideologien beruhen. Sie muss sich daran orientieren, wie die Welt und ihre Teilsysteme tatsächlich funktionieren. Dies zu verstehen, wird hier ein Beitrag geleistet.
Fast jeder versteht den Unterschied zwischen privaten Gütern – Waren und Dienstleistungen, die von Unternehmen produziert werden – und öffentlichen Gütern
– Erziehung, Straßen, öffentliche Sicherheit, Abwassersysteme, das Rechtssystem oder die Landesverteidigung. Ebenso klar sind Privateigentum und Gemeineigentum voneinander geschieden. Im Alltag ist zum Beispiel der Unterschied zwischen proprietären Daten und freier Information1 problemlos zu erkennen. Gleiches gilt für Beeren, die auf dem Markt verkauft werden, und jenen, die wir im Wald sammeln.
Doch die Unterschiede zwischen den beiden Grundformen kollektiven Eigentums – zwischen dem Bereich des Öffentlichen und jenem der Commons – verschwimmen. Daher brauchen wir eine stichhaltige und allgemein anerkannte Unterscheidung zwischen öffentlichen Gütern und Commons, also Gemeingütern. Letztere sind jene Dinge, die Menschen gemeinsam nutzen und verwalten, indem sie, basierend auf Traditionen oder sozialen Normen und Praktiken, ihre eigenen Regeln aushandeln.2

Wenn Produktion und Konsum zusammenfallen

Den Unterschied zwischen öffentlichen Gütern und Commons zu verstehen, trägt auch dazu bei, die theoretische Trennung von Produzenten und Konsumenten aufzuheben. Das ist entscheidend. Im derzeitigen System erzeugt die Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Konsumenten im Hin und Her privater und öffentlicher Güter eine hierarchische Struktur (»Top-down«), die angeblich ökonomisch effizient, produktiv und qualitätsfördernd ist und zugleich die Kosten von Gütern und Dienstleistungen senkt.
Doch viele Gemeinschaften haben ihre eigenen Regeln und Normen entwikkelt, mit deren Hilfe sie ihre Ressourcen nachhaltig nutzen können – ob traditionelle Commons (rund um Flüsse, Wälder, indigene Kulturen) oder neu entstehende (wie Solarenergie, soziale Innovationen, das Internet).

Diese Nutzergemeinschaften funktionieren im Grunde nach Produktions- und Managementprinzipien, wie sie im Neoliberalismus geradezu idealisiert werden: Spontaneität, sich selbst regulierende Freiheit (wie auf dem Markt) und regelbasierte Gleichberechtigung (wie jene, die vom Staat durchgesetzt wird). Wenn aber aus Konsumenten Koproduzenten von Gütern und Dienstleistungen werden, die sie selbst brauchen, dann überwindet ihr verbindendes Tun nicht nur Privatisierung und Zentralisierung, sondern auch die Vorstellung, dass Institutionen nur von oben verändert werden können.
Wenn Ressourcennutzer direkt in Produktionsprozesse eingebunden sind, gehen ihr Wissen, ihre Erfahrungen, ihre Visionen, ihre Überlegungen und ihr selbstkorrektives Handeln unmittelbar in das gemeinsame Handeln ein. Anders als in den Lieferketten der Warenproduktion oder im bürokratischen Herstellungsprozess öffentlicher Dienstleistungen bleibt durch die kooperative Herstellung und Handhabe von Dingen die Entscheidungsfreiheit der Individuen gewahrt.3 Direkt und lokal organisierte Commons sind also produktive Systeme und eine Governance-Form jenseits der modernen Arbeitsteilung.

Sozialchartas und Trusts für Commons


Das Rechtsinstitut des Trusts wurde in den Ländern des Common Law entwickelt und an den Rechtsrahmen anderer Länder angepasst. Der Rechtswissenschaftler David Hayton stellt fest: »Wie ein Elefant ist ein Trust schwer zu beschreiben, aber einfach zu erkennen« (Hayton, in: Hayton/Kortmann/Verhagen 1999: XIII). In einem Trust wird ein Trustee (Treunehmer) bestimmt, der befugt und verpflichtet ist, das ihm Anvertraute in Übereinstimmung mit den Trustbestimmungen zu verwalten und zu verwenden. An dieser Verpflichtung ist das Handeln des Trustees zu messen. Umfassend Rechenschaftslegung ist Pflicht (Anm. der Hg.).

Die Unterscheidung zwischen Commons und öffentlichen Gütern ist also unerlässlich, wenn wir dahin kommen wollen, Commons-Institutionen zu schaffen, die von all jenen getragen werden, deren Existenz und Wohlergehen von einem bestimmten Gut abhängen. Wenn eine Gruppe mit einer spezifischen sozialen Praxis oder aus der gleichen Region Verantwortung für die Erhaltung ihrer Ressourcen übernimmt, kann sie das mit einer Sozialcharta formalisieren. Sozialchartas umreißen die Rechte und Anreizstrukturen für die gemeinsame Ressourcennutzung. Auch die Beziehungsmuster zwischen der Ressource und den Menschen, die sie nutzen, verwalten und produzieren, werden darin beschrieben. Sozialchartas sind für den Umgang mit Wäldern, Weiden, Bewässerungsanlagen, Wasservorkommen und Fischgründen, mit dem Internet, Wissen, genetischen Ressourcen, dem Gesundheitswesen, energetischen Ressourcen, Landschaften, Denkmälern und anderen Dingen bereits vereinbart worden.4
Damit sie wirksam werden können, schaffen die Produzenten und Nutzer von Ressourcen eine Rechtsperson: den Commons Trust. Trusts dienen meist dazu, nicht erneuerbare, also natürliche oder stoffliche Ressourcen zu erhalten. Aber auch soziale, kulturelle, geistige und digitale Gemeingüter können im Rahmen eines Trusts verwaltet und erneuert werden. Die Mitglieder des Trusts definieren eine Obergrenze für den Abbau beziehungsweise die Entnahme einer Ressource, den sogenannten »cap«. Dieser »cap« wird nach nichtmonetären, generationsübergreifenden Maßstäben, wie Nachhaltigkeit und Lebensqualität, bestimmt. Ist die Erhaltung der Gemeinressourcen für nachfolgende Generationen durch den »cap« gesichert, kann der Trust einen Teil seiner Ressourcen und Produktion innerhalb der festgelegten Obergrenze an den Privatsektor oder den Staat zur Ausbeutung und Produktion verpachten. Ein Teil dieser Pacht wird vom Staat besteuert und den Bürgern als Dividende oder in Form eines Grundeinkommens ausgezahlt, wobei benachteiligte und marginalisierte Gruppen besonders zu berücksichtigen sind. Pacht- oder Benutzungsgebühren werden zudem in die Regeneration übernutzter Ressourcen, zum Beispiel Böden, Flüsse, Meere und die Atmosphäre, oder in Kunst, Wissen, Software und erneuerbare Energien investiert.
Durch Trusts kann so im Laufe der Zeit ein umfassendes commonsbasiertes Wirtschafts- und Governance-System entstehen: Die Commons werden langfristig geschützt, der private Sektor profitiert von der Produktion mit Ressourcen, die er pachtet, und der Staat besteuert dies, um übernutzte Gemeinressourcen wiederherzustellen, soziale Leistungen zu finanzieren und die freie Kultur zu fördern.

Eine neue Identität für die Zivilgesellschaft

Welcher Teil der Gesellschaft könnte am besten dafür sorgen, dass Commons unabhängig von privaten und öffentlichen Gütern bestehen? In den letzten Jahrzehnten hat die organisierte Zivilgesellschaft begonnen, sich selbst als »dritten Sektor« jenseits von Markt und Staat zu definieren. Durch ihren Einsatz für die Interessen und Rechte von unterrepräsentierten Gruppen sind globale Netzwerke, Nichtregierungsorganisationen, Vereine und soziale Bewegungen zu einer authentischen öffentlichen und weltweit wahrnehmbaren Stimme geworden. Viele der von ihnen vertretenen Themen – Nahrung, Wasser, saubere Luft, Umweltschutz, erneuerbare Energie, Informationsfreiheit, soziale Netzwerke, Menschenrechte und die Rechte indigener Völker – lassen sich am besten mit einem Commons-Ansatz bearbeiten.
Aber diese selbst ernannten Gruppen besitzen nicht die Autorität global repräsentativer Institutionen, denn sie sind nicht durch Wahlen legitimiert. Sie gelten daher nicht als gleichberechtigte politische Akteure.
Ohne glaubwürdiges politisches Mandat kann die Zivilgesellschaft zwar die globalen Machtverhältnisse anprangern, aber sie kann kaum die ihnen zugrunde liegende Struktur verändern. Weil sie die institutionellen Voraussetzungen des Neoliberalismus akzeptieren (inklusive des Primats individueller Rechte, des Privateigentums und nationaler Grenzen), halten die meisten Organisationen die Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Konsumenten aufrecht und unterstützen deshalb die Einhegung der Commons. Viele Gruppen, die sich für Umweltschutz oder Armutsbekämpfung einsetzen, suchen nach Lösungen, die auf Eigentums-rechten und staatlicher Regulierung beruhen, statt auf Formen der Peer-Produktion zu setzen, die Werte schaffen, um unsere Probleme zu lösen. Deshalb bleibt die Zivilgesellschaft gewissermaßen von den Unternehmen und der Regierungsperformance koabhängig und mithin von Vereinnahmung bedroht. Die Herausforderung für die Zivilgesellschaft ist nicht, sich als Gegenkraft zu Markt und Staat zu profilieren, sondern eine wirklich systemverändernde Kraft zu werden.
Und hier kann sie von den Commons-Aktivisten lernen. Sie zeigen, wie wichtig es ist, die Ressourcennutzer in den Produktionsprozess selbst mit einzubeziehen. Wenn Nutzer auch Koproduzenten sind, werden ihre Motivationen, ihr Wissen und ihr Können Teil der Produktion. Das ermöglicht neue Interaktionsmöglichkeiten und Koordinationsformen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Zivilgesellschaft sollte dieses Prinzip auf ihre eigene Arbeit anwenden.5 Wenn sie als Ressourcennutzer und Produzenten zugleich agieren und so die politische Macht lokaler Stakeholder stärken, können sich zivilgesellschaftliche Gruppen das ganze Spektrum kollektiver Rechte, Legitimation und Macht nutzbar machen, das jenseits des Staates existiert.

Zivilgesellschaftliche Organisationen könnten dann als Katalysatoren für die Integration von Produktion und Konsum wirken und zu Commons-Trusts werden oder Partnerschaften mit solchen eingehen. Die Menschen bekämen durch Trusts mehr Beteiligungs- und politische Entscheidungsmöglichkeiten, was wiederum die ökonomischen, sozialen und politischen Entscheidungen auf allen Ebenen verändern würde – lokal, national, zwischenstaatlich, regional und global. Das böte zivilgesellschaftlichen Gruppen einen Ausweg aus dem Widerspruch zwischen dem weit verbreiteten Ideal, soziale und natürliche Ressourcen umzuverteilen, und der Sorge, die verfassungsmäßig garantierten privateigentumsrechtlichen Beschränkungen für gleichberechtigten Zugang, Schutz und Nutzung der Commons in Frage zu stellen. Wenn sie die kollektive Produktion und Governance von Commons durch neue Formen der Treuhänderschaft vorantrieben, würden die Vereine und Organisationen der Zivilgesellschaft, obwohl sie nicht gewählt sind, den Menschen, die sie zu schützen und zu unterstützen vorgeben, keine Rechenschaft schuldig bleiben.

Weltbürgern Souveränität geben

Commons von öffentlichen Gütern zu unterscheiden, ist also entscheidend, wenn unsere grundlegenden Rechte als »Weltbürger« an den Commons anerkannt werden sollen. Heute sind diese Rechte nicht abgesichert, weil die Bürger über die staatliche Ebene hinaus nicht vertreten sind (außer in Europa, aber auch hier ist die Verbindung zwischen den Bürgern und ihren europäischen Repräsentanten sehr schwach). Als Bürger eines Staates übergeben wir die Macht qua Gesellschaftsvertrag an die Regierungen, statten sie so mit Legitimation und Autorität aus und bekommen im Gegenzug öffentliche Güter wie Sicherheit, Infrastruktur und andere Dienstleistungen. Indem wir unsere zutiefst persönliche, subjektive Entscheidungsmacht den Regierungen überlassen (die diese Macht nutzen, um Unternehmen das Recht zu garantieren, private Güter zu produzieren und zu verteilen), verlieren viele von uns das Gefühl für Identität und Sinn.

Und doch sind die Menschen gemeinsam der Souverän und nicht die Regierungen. Die unveräußerlichen Rechte der Menschen leiten sich nicht aus der Herrschaft über ein Territorium ab, sondern aus einer traditionellen oder sich neu entwickelnden Identifikation mit der Welt, in der sie leben; aus einer kollektiven Tätigkeit; einer gemeinsamen sozialen Praxis; einem gemeinsamen Bedürfnis oder einer gemeinsamen Überzeugung; aus der besonderen Kultur einer Region; einer ethnischen, religiösen oder sprachlichen Verwandtschaft oder einer historisch gewachsenen Identität.
Wenn Menschen erkennen, dass ihre Commons ihren Lebensunterhalt und ihre Entwicklungsmöglichkeiten nicht mehr sichern, beginnen sie womöglich ihr angeborenes Recht als Bürger dieser Erde einzufordern, lokal wie global. Diese Rechte auf alle Ressourcen – die Atmosphäre, Ozeane, Wälder und die Artenvielfalt; Nahrung, Wasser, Energie und Gesundheitsversorgung; Technologien, Medien, Handel und Finanzen – sind darin begründet, dass das Überleben und die Sicherheit einer Gemeinschaft von ihnen abhängig und wir gemeinsam für das Wohl nachkommender Generationen verantwortlich sind. Die Notwendigkeit der Existenzsicherung stattet uns mit einer neuen moralischen und sozialen Verantwortung aus: Nutzer von Ressourcen müssen direkt in die Erhaltung und Produktion ihrer eigenen Commons einbezogen werden. Rechte auf Ressourcensouveränität müssen für alle Nutzergemeinschaften auf allen Ebenen von Produktion und Verwaltung gelten.

Selbstbestimmung über die Koproduktion und Koverwaltung von Ressourcen beinhaltet also, dass Menschen unmittelbar an den Entscheidungen über ihre Subsistenzmittel und ihr Wohlergehen beteiligt sind. Dazu gehört auch das Recht, externe Herrschaft, Einhegung, Kommodifizierung und Zerstörung eines spezifischen Commons zurückzuweisen. Statt individuelle oder bürgerliche Rechte vom Staat einzufordern und zugewiesen zu bekommen, erklären Commoners ihre souveränen Rechte auf Zugang zu Gemeinressourcen, die sie erhalten, produzieren, verwalten und nutzen. Die Souveränität der Menschen über ein Commons wird durch ihre »Weltbürgerschaft« legitimiert, und diese wiederum legitimiert sich durch die lokale Souveränität über die Commons. Das ist kein Zirkelschluss, sondern spiegelt einen Mehrebenen-Entscheidungsprozess, der über die Reichweite staatlicher Institutionen hinausweist. Hier wird die Legitimation der Menschen als Treuhänder anerkannt, die Rechte auf ihre Ressourcen auf allen Ebenen gemeinsamen Besitzes einzufordern.

Globale Commons statt globale öffentliche Güter

In den vergangenen Jahrzehnten haben die multilateralen Organisationen den Anspruch erhoben, den Bedürfnissen der Weltbevölkerung sowie Umweltbelangen durch »globale öffentliche Güter« gerecht zu werden. Dieses Konzept – eine Mischung aus internationalisiertem Keynesianismus und finanzgetriebenem Neoliberalismus – zeigt, wie wenig Verständnis und Visionen es gegenwärtig in Fragen des Umgangs mit globalen Gemeingütern gibt. Entsprechend der Definition von Samuelson, Buchanan und Ostrom, dass öffentliche Güter nichtrival und nicht ausschließbar seien, geht man davon aus, öffentliche Güter müssten durch eine souveräne Regierung innerhalb der Grenzen eines Staates zur Verfügung gestellt werden. Aber dieses Modell ist auf multilateraler Ebene praktisch bedeutungslos, denn hier gibt es keine repräsentative Autorität, die allen öffentliche Güter zur Verfügung stellen könnte, weder als Zusammenschluss mehrerer Staaten noch in Form globaler Institutionen.
Wenn sich zwischen Staaten ein Wettbewerb um ökonomische Ressourcen (Waren, Investitionen, Kredite) oder um politische Ressourcen (strategische oder militärische Vorteile, diplomatische Sanktionen) entwickelt, dann sind diese Dinge natürlich rival. Ebenso werden Millionen von Menschen vom Zugang zu Nahrung, Entwicklungshilfe oder Technologietransfer ausgeschlossen, wenn ein Staat es versäumt, diese zur Armutsminderung in notleidenden Ländern zur Verfügung zu stellen. In Wahrheit aber sind Rivalität und Ausschließbarkeit, die auch den Begriff der »globalen öffentlichen Güter« propagandistisch aufladen, den privaten Gütern und den Marktkräften eigen, die sich eher am Profit für die Aktionäre als am gleichen Nutzen für alle orientieren. Nationale Regierungen haben weder die Macht noch die Legitimation, Ressourcen für die gesamte Weltbevölkerung zu schützen, zu verwalten und zu verteilen. Und darauf sind sie auch gar nicht zugeschnitten.

Doch der liberale Mythos von den »globalen öffentlichen Gütern« streckt seine Fühler in alle Richtungen. Im gegenwärtigen System souveräner Staaten, gegenseitiger Nichteinmischung und beschränkter multilateraler Zusammenarbeit weigern sich die Regierungen, einen allgemein anerkannten grundlegenden Bezugsrahmen für globale Ressourcensouveränität aufzubauen. Sowohl der private als auch der staatliche Sektor leugnen, dass die globalen Kooperationsprobleme der Welt – der Zugang zu Nahrung und Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung, Transfer von Hilfsgütern und Technologie, grenzübergreifende Sicherheit, Weltfrieden, ein gerechtes Rechts- und Politiksystem, eine saubere Umwelt, saubere Luft und ein faires Wirtschaftssystem – durch die Schaffung globaler Commons gelöst werden können. Dafür wären Sozialchartas und Trusts geeignete Instrumente. Doch derweil zerstört die neoliberale Verpflichtung der Staaten auf Wachstum den Planeten und nimmt den Menschen ihre Ressourcen. Darum müssen sich Bürger aus aller Welt an einer Debatte über Normen, Rechte und Pflichten für den Umgang mit globalen Gemeingütern beteiligen: jenen gemeinsamen Ressourcen also, deren Nutzung von den Menschen dieser Welt selbst verhandelt und organisiert werden muss.

Für einen neuen globalen Gesellschaftsvertrag

Um legitimierte Formen einer Commons-Demokratie in allen politischen Gemeinschaften verankern und verbreiten zu können, müssen die sozioökonomischen Beziehungen, Regeln und Institutionen neu konfiguriert werden. Die Idee der Commons könnte die Basis bilden, um eine globale demokratische Governance-Struktur in Recht und Verfassung abzusichern. Dafür werden viele Menschen gebraucht, die ihre Commons auf lokaler Ebene organisieren, sich als »Weltbürger« verstehen und von ihren Regierungen einfordern, die Rechte aller Menschen und anderer Lebensformen anzuerkennen. Ein Sozialvertrag, der auf »Weltbürgerschaft« beruht, wird Nutzergemeinschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen ermächtigen, Trust-Modelle zu entwickeln, die zwar parlamentarische Regierungsformen einschließen, aber auch über sie hinausgehen, indem sie den Menschen ein weiteres demokratisches Instrument in die Hand geben, ihre Ansprüche auf Selbstbestimmung zu stärken. Die Nutzer und Produzenten von Ressourcen könnten so direkt Entscheidungen über alle wichtigen Gemeingüter treffen. Sie können die Ressourcen im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen sowie anderer Arten verwalten. Weil jede Ressource einzigartig ist und sich zugleich verschiedene Ressourcensysteme überlappen, müsste über die konkreten Verwaltungsformen von den Betroffenen auf lokaler, staatlicher, zwischenstaatlicher, regionaler und globaler Ebene intensiv beraten werden. Diese Verwaltungsformen können unabhängig voneinander funktionieren und sich punktuell überschneiden.

Ein commons-sensitives globales Governance-System ins Werk zu setzen – das ist eine enorme Herausforderung. Die Grundlagen des Nationalstaates müssten grundlegend umgebaut werden. Wenn der Staat die Commons als Fundament für die Gesetzgebung und für die Gestaltung unserer Institutionen akzeptiert, müsste er die Privilegierung des Privateigentums beenden und die moralische und politische Legitimation der Menschen anerkennen, ihre Ressourcen zu erhalten, darauf zugreifen zu können, aus ihnen zu schöpfen, sie zu verwalten und zu nutzen. Dafür brauchen wir eine neue Epistemologie von Ressourcensouveränität, geteilter Verantwortung und gesetzlich verankerter Rechenschaftspflicht, die das Recht der »Weltbürger« auf ihre Commons stärkt.

Das neue globale Wirtschaftssystem und der neue Gesellschaftsvertrag werden nicht auf den Ansprüchen von Unternehmen oder in staatlicher Souveränität gründen, sondern auf den souveränen Rechten der Menschen auf ihre Commons.

Literatur

  • Hayton David J./Kortmann Sebastianus C.J.J./Verhagen H.L.E. (1999): »Principles of European Trust Law«, in: Law of Business and Finance, Band 1, The Hague.
  1. Vgl. zum Beispiel die Beiträge von Christian Siefkes und Federico Heinz in diesem Buch (Anm. der Hg.).
  2. Auch wenn in diesem Beitrag auf diesen Aspekt nicht vertiefend eingegangen wird: Die Unterscheidung zwischen Gemeingütern (im Sinne von Commons) und Gemeinressourcen (»Common Pool Resources«, CPR) ist sehr wichtig. Gemeinressourcen selbst sind oft frei zugänglich oder verfügbar. Es gibt keine Rechte oder Regeln, die den Umgang mit ihnen bestimmen. Gemeingüter (Commons) hingegen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen ihre eigenen Regeln zum Umgang mit den gemeinsam genutzten Ressourcen aushandeln, seien sie formaler oder kultureller Art. Commons beinhalten also stets formelle oder informelle Regeln und Normen, die in einem »Open-Access-Regime« nicht existieren (Anm. der Hg.).
  3. Vgl. auch die Beiträge von Christian Siefkes und Benjamin Mako Hill in diesem Buch (Anm. der Hg.).
  4. Beispiele sind WANA (Forum für Westasien und Nordafrika), die Charta des Forums von Barcelona für Innovation, Kreativität und Zugang zu Wissen, die Jugendcharta des Pazifischen Raums und die People’s Charta für Gesundheit.
  5. Während einige Graswurzelaktivisten in der Entwicklungspolitik diesem Prinzip bereits folgen, hat sich die Praxis des Commoning im Rest der Zivilgesellschaft noch nicht durchgesetzt.