Nach der friedlichen Revolution gegen das autokratische und monarchistische Panchayat-Regime1 in Nepal gab die Wiedereinführung eines Mehrparteiensystems 1990 den Dorfgemeinschaften die Möglichkeit, sich zu organisieren und Gemeingüter wie Wasser und Wald selbst zu verwalten. Mit politischen Programmen und neuen Finanzierungsinstrumenten förderte der Staat neue Formen selbstverwalteter Graswurzelorganisationen. Die Energie, die von diesem Wandel ausging, führte in Nepal zu einer enormen Ausweitung von Wäldern in gemeinschaftlicher Hand. 1,7 Millionen Haushalte oder 32 Prozent der Bevölkerung konnten direkt davon profitieren. 16.000 Gruppen haben sich organisiert, um ihre Wälder gemeinsam zu bewirtschaften; sie verwalten 1,2 Millionen Hektar Land. Das entspricht etwa einem Viertel der Waldfläche Nepals.
Die Geschichte gemeinschaftlicher Waldbewirtschaftung
Bis zu ihrer Verstaatlichung 1957 gehörten die Wälder den Menschen. Für die Regierung jedoch war es schwierig bis unmöglich, die großen Flächen des verstaatlichten Waldes zu bewirtschaften, weil es keine entsprechenden Verwaltungseinrichtungen gab und die entlegenen und verstreuten ländlichen Regionen unüberschaubar waren. Vor allem im Bergland drängten die Dorfgemeinschaften deshalb die Regierung, ihnen die Kontrolle über die Wälder zu überlassen. Schon 1978 führte dieser Druck zu einer Änderung der Forstgesetze: Die Bewirtschaftung eines Teiles der Wälder wurde an lokale Institutionen übertragen, die sogenannten »Panchayats«. Trotz des Gesetzes übergab man diesen bis 1986 nur 48.541 Hektar Wald.
Die neue Regierung schließlich nahm die Nutzergruppen (sogenannte »community forestry user groups«, CFUGs) in ihren 8. Fünfjahrplan (1992-1997) zur Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen auf. Mit dem Forstgesetz von 1993 und weiteren Verordnungen 1995 wurden die CFUGs bevollmächtigt, ihre Wälder selbst zu bewirtschaften. Der Staat blieb Eigentümer des Waldes, räumte aber den Dorfgemeinschaften das Recht auf Selbstverwaltung ein.
Nachhaltige Lebensgrundlagen durch gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung
Die Selbstverwaltung der nepalesischen Wälder durch die Nutzergemeinschaften hat sich ökologisch und wirtschaftlich sehr positiv ausgewirkt. Indikatoren sind der dichtere Kronenschluss2 und die höhere Produktivität. Eine aktuelle Studie ergab, dass sich 74 Prozent der Waldflächen, die durch CFUGs bewirtschaftet werden, in »gutem« Zustand befanden, während nur 19 Prozent »heruntergewirtschaftet« waren. Andere Studien haben gezeigt, dass CFGUs hinsichtlich der Veränderungen des Waldzustandes besser abschneiden als Staatswälder.
Durch die gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung hat die Produktion von Nutzholz, Schnittholz, Tierfutter, organischen Materialien und anderen Waldprodukten (sogenannten »non-timber forest products«, NTFP) stark zugenommen, während sich gleichzeitig die Waldflächen vergrößert haben und die Wassereinzugsgebiete geschützt wurden. Zudem wurden die Gewinne, die die CFUGs erzielen konnten, genutzt, um Mikrounternehmen der ärmeren Mitglieder zu finanzieren und die Dorfinfrastruktur auszubauen. In einigen Fällen haben landlose Menschen etwas anbauen können. In anderen Fällen wurden Gemeinschaftsunternehmen rund um die Waldnutzung aufgebaut, etwa eine Fabrik für die Verarbeitung von Heilkräutern.
Ojha und Chchatre zitieren eine Studie, die belegt, dass gemeinschaftliche Waldnutzung auch positive Effekte auf den Lebensstandard und die Nahrungsmittelsicherheit hat (Ojha/Chchatre 2009). Auch eine Längsschnittuntersuchung von 2700 Haushalten aus 26 CFUGs in den Hügeln von Koshi über einen Zeitraum von fünf Jahren belegt, dass sich Lebensstandard und Nahrungsmittelsicherheit der Bevölkerung erheblich verbessert hatten: Sie ergab, dass 46 Prozent der armen Bevölkerung durch die Beteiligung an CFUGs ihre wirtschaftliche Situation und langfristige Handlungsfähigkeit verbessern konnten. Eine andere Studie fand heraus, dass das jährliche Haushaltseinkommen von Mitgliedern der Nutzergruppen im Zeitraum von 2003-2008 um 113 Prozent von 54.995 nepalesischen Rupien (NPRs) auf 117.075 NPRs (das entspricht 2011 etwa 410 bzw. 1060 Euro) stieg. Inflationsbereinigt ist das einer Zunahme von 61 Prozent.
Die Bedeutung von Wäldern als Wasserspeicher wird oft übersehen. Genau hier wird jedoch der Zusammenhang zwischen Wäldern, Landwirtschaft und Verbesserung der Lebensqualität am deutlichsten. Daher ist es wichtig, einen ganzheitlichen und sektorübergreifenden Ansatz für den Umgang mit natürlichen Ressourcen und zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen zu fördern. Partizipative Aktionsforschung (PAR), die die Beteiligten an der Basis mit einbezieht, ist ein wesentlicher Teil eines solchen ganzheitlichen Management-Modells, weil Nutzergruppen nur dann die notwendigen Kompetenzen zur Selbstverwaltung entwickeln, wenn sie Vertrauen aufbauen und ein Geben und Nehmen entsteht; und wenn sie ihre Fähigkeit stärken können, die unvermeidbar auftretenden Konflikte und Probleme zu lösen.
Schließlich können Nutzergruppen, die ihre Wälder sinnvoll bewirtschaften, einen Beitrag zur Kohlenstoffbindung leisten und Umweltdienstleistungen erbringen, etwa die Verbesserung der Wasserqualität für stromabwärtsliegende Dörfer. Im UN-Programm REDD (»Reducing Emissions from Deforestation and Degradation«, dt.: Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung) wird versucht, solche Erfolge zu quantifizieren, damit die CFUGs für ihren Beitrag zum Umweltschutz entschädigt werden können.3 Ein Fonds für gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung könnte zur Regeneration der Wälder beitragen und den Nutzern zugleich neue Chancen zur Verbesserung ihres Lebensstandards bieten. Auch Einnahmen aus dem Emissionshandel und den Umweltdienstleistungen könnten in diesen Fonds eingebracht werden.
Alles spricht dafür, dass CFUGs auch in Zukunft eine Vorreiterrolle für besseres Ressourcenmanagement in Nepal spielen können. Sie tragen die Energie weiter, die durch die Graswurzelbewegungen seit 1990 freigesetzt wurde, und sie verbessern den Lebensstandard der Armen.
Herausforderungen der gemeinschaftlichen Waldbewirtschaftung im Terai
Im Terai, einer sehr trockenen Region im südlichen Nepal, wird die Waldfläche durch den Ackerbau im Bergland und im indischen Teil der fruchtbaren Ganges-Ebene dezimiert. Die Menschen indischer Abstammung, eine Bevölkerungsgruppe namens Tharus, und Einwanderer aus dem Bergland bevölkern das Terai. Diese Mischung verschiedener ethnischer Gruppen erschwert das gemeinsame Handeln.
Obwohl der Staat große Waldflächen besitzt, ist er nicht in der Lage, deren Nutzung zu überwachen und zu beeinflussen, daher sind die Wälder meist frei zugänglich (Open Access). Jeder kann sie nach Belieben nutzen, besonders im Norden entlang der Churia- und Shivalik-Berge. Ein Großteil der staatlichen Wälder wird abgeholzt, denn dort gibt es einen beträchtlichen Anteil an Hartholz mit hohem Verkaufswert. Dabei ist die Erhaltung der Terai-Wälder wichtig, um der Erosion Einhalt zu gebieten und die Überschwemmungsgefahr in Nepal und Nordindien zu minimieren.
Gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung ist hier eine Alternative zu konventionellen Bewirtschaftungsformen. Sie konzentriert sich auf Regionen, in denen gefestigte Dorfgemeinschaften bestehen, weil sich aufgrund der ähnlichen ethnischen Herkunft der Bevölkerung Beziehungen herausbilden konnten, die auf Vertrauen und Reziprozität beruhen. Um die Terai-Wälder zu retten, müsste es jedoch weitere Anreizmechanismen geben, damit Menschen sich auch an der Bewirtschaftung staatlicher Wälder beteiligen und damit jene, die von der Waldnutzung ausgeschlossen werden müssten, Unterstützung bei der Erschließung alternativer Energiequellen bekommen. Denn sie müssen das Feuerholz ersetzen können. Um den Trend zur Zerstörung der Wälder des Terai zu stoppen – derzeit sind es jährlich rund ein Prozent –, wird eine gemeinsame Anstrengung von Forstbehörden, der Bevölkerung, lokalen Institutionen und anderen Stakeholdern erforderlich sein.
Ein Dachverband der Waldbewirtschaftungsgruppen
In dem Maße, wie die Zahl der Nutzergruppen für gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung wächst, tauchen auch komplexere Probleme auf, die gelöst werden müssen. Zum Beispiel brauchen CFUGs eine bessere rechtliche und politische Absicherung. Doch das ist schwierig, weil häufige Regierungswechsel und andere politische Probleme oft Veränderungen der politischen Programme nach sich ziehen, die in die CFUG-Verwaltung eingreifen und Planungskontinuität unmöglich machen. Allgemein gesagt: Das politische Establishment war nicht immer förderlich für die Durchsetzung eines gemeinschaftsbasierten Modells der Waldbewirtschaftung.
Der Dachverband der Gruppen für gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung (Federation of Community Forestry Nepal, FECOFON) wurde 1995 mit der Absicht gegründet, sich dieser Themen anzunehmen, die Interessen der Nutzergruppen zu vertreten und politische Unterstützer zu gewinnen. Die FECOFON begleitet auch die CFUGs vor Ort in ihren Dörfern und organisiert den Austausch zwischen den Gruppen und anderen Beteiligten. Wenn politische Maßnahmen die Nutzergemeinschaften bedrohen, organisiert der Verband Kundgebungen, um die Regierung zum Umdenken zu bewegen. Zudem vertritt er die Interessen der Nutzergruppen in internationalen Organisationen und bemüht sich, auch auf globaler Ebene die Agenda der Bewegung für Gemeinschaftswälder voranzutreiben.
Förderung erneuerbarer Energien
Durch die günstigen institutionellen und politischen Rahmenbedingungen, die die Regierung geschaffen hat, und durch ein neues Energieprogramm sind alternative Energiequellen in ländlichen Regionen sehr populär geworden. Mit spendenfinanzierten Programmen wurden die Nutzung von Biogas, von Sonnen- und Mikro-Wasserkraft sowie die Verbesserung der rustikalen Küchenherde in den Haushalten vorangetrieben. Hundertausende Biogasanlagen und Küchenherde konnten installiert werden, womit der Bedarf an Feuerholz reduziert und die Wälder entlastet wurden. Zudem haben sich die Heizkosten der Menschen verringert. Die Etablierung des Emissionsrechtehandels ermöglicht es, dass einige Technologien, wie Biogas und Kleinwasserkraft, in den Kohlenstoffmarkt einsteigen, was für die Zukunft eine stabile und langfristige Finanzierung erwarten lässt.
Institutionelle Innovation ist nötig
Mit dem Entstehen einer Mehrparteiendemokratie 1990 haben die Beteiligung der Bürger und die Vielfalt der Institutionen in allen Lebensbereichen zugenommen. Basisinitiativen haben verschiedene selbstverwaltete Institutionen für die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, für Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Mikrofinanzierung auf den Weg gebracht. In einigen Fällen stellt der Staat politische und rechtliche Unterstützung bereit, um solche Initiativen zu fördern. So hat er autonome Strukturen für die Finanzierung und Unterstützung von Graswurzelinitiativen geschaffen, wie den Fonds zur Armutsbekämpfung (Poverty Alleviation Fund, PAF), der 2004 mit finanzieller Unterstützung der Weltbank gegründet wurde. Der PAF hat es 14.000 Gemeinschaften mit rund 500.000 armen Haushalten in entlegenen Regionen Nepals ermöglicht, das Haushaltseinkommen zu erhöhen, Infrastrukturen zu schaffen, alternative Energiesysteme aufzubauen und die Handlungskompetenzen der Gemeinschaften zu stärken.
Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung des Waldes ist heute so weit verbreitet, dass ein Unterstützungsfonds notwendig geworden ist, der sich auf das ganzheitliche Management natürlicher Ressourcen im Bereich lokaler Wassereinzugsgebiete spezialisiert. Die Mittel eines solchen autonomen Fonds könnten zwischen Regierung und Nutzergemeinschaften entsprechend ihrer Beiträge zur Kohlenstoffbindung geteilt werden. Der Fonds könnte durch die Erträge der Waldbewirtschaftung und mit Einnahmen aus Umweltdienstleistungen und dem Emissionsrechtehandel finanziert werden.
Ausblick
Die Berichte über CFUGs zeigen deutlich, dass die sozial schwachen Gruppen von der verbesserten Bewirtschaftung des Waldes durch die Beteiligung der Dorfgemeinschaften am meisten profitieren. Wir müssen daher wegkommen von einem Modell, das auf Konservierung ausgerichtet ist, hin zu einem Modell, das nachhaltige Existenzsicherung ermöglicht und Ernährungssicherheit, gesunde Lebensmittel und steigende Lebensqualität für die Armen in den Mittelpunkt stellt. Das ist auch der Schwerpunkt von SAPPROS (Support for Poor Producers of Nepal), einer nepalesischen Organisation, die arme Produzenten unterstützt. SAPPROS betreibt partizipative Aktionsforschung, die die Bewirtschaftung von Land, Wald und Wasser auf der Ebene der Dorfgemeinschaften zusammenführt. Gemeinsam mit Bauern, Nutzern und den begünstigten Haushalten können wir Effektivitätsindikatoren entwickeln, Fortschritte beobachten und langfristig die Lebensverhältnisse verbessern.
Literatur
- Bhattarai, S. (2009): Towards Pro-Poor Institutions: Exclusive Rights to the Poor Groups in Community Management. Discussion Paper, Forest Action Nepal and Livelihoods and Forestry Program, Kathmandu, Nepal.
- Ojha, H./Persha, L./Chchatre, A. (2009): Community Forestry in Nepal, IFPRI Discussion Paper 00913, November 2009, A Policy Innovation for Local Livelihood.
- Pokharel, B.K./Braneey, P./Nurse, M./Malla, Y.B. (2007): »Conserving Forests: Sustaining Livelihoods and Strengthening Democracy«, in: Journal of Forest and Livelihood 6(2), September 2007.
- SAPPROS (2002): Natural Resource Management Manual, Support Activities for Poor Producers of Nepal, Kathmandu.
- Panchayats waren das unterste Gremium des Einparteiensystems, das zum Schutz der absoluten Monarchie gegründet worden war und bis 1990 nahezu 30 Jahre bestand. ↩
- Anteil der von den Baumkronen überschirmten Waldfläche (Anm. der Hg.). ↩
- Weltweit stammen zirka 20 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgase aus der Abholzung und Zerstörung von Wäldern. Das REDD-Modell will hier ansetzen und Waldschutz zu einem Instrument des Klimaschutzes machen. Die Idee ist, dem in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff einen materiellen Wert beizumessen, so dass der Walderhalt rentabler ist als die Waldzerstörung. Die konkrete Ausgestaltung ist jedoch äußerst komplex. Zudem öffnet sie der Einverleibung von immer neuen natürlichen Ressourcen in den Kohlenstoffmarkt Tür und Tor. Wenn dieser Markt nicht funktioniert, funktioniert auch REDD nicht. Einen konkreten Mechanismus zur Umsetzung von REDD gibt es noch nicht. Umweltschutzorganisationen und Vertreter indigener Völker üben zudem Kritik an dem Programm, weil es die Entwaldung bestenfalls verlangsamt und nicht selten die Rechte der indigenen Bevölkerung einschränkt (Anm. der Hg.). ↩