Eine kühne Doktrin in einem engen Korsett
Die Idee eines »Gemeinsamen Erbes der Menschheit« berührt die Ethik ebenso wie das internationale Recht. Sie bedeutet, dass manche Orte der gesamten Menschheit gehören und dass die Ressourcen dieser Orte allen Menschen zur Verfügung stehen sollten. Künftige Generationen und die Bedürfnisse der Entwicklungsländer müssten berücksichtigt werden.
Als die Idee – man kann auch von einem Konzept sprechen – eines »Gemeinsamen Erbes der Menschheit« in den 1960er-Jahren eingeführt wurde, gab es Kontroversen zu Fragen des Geltungsbereichs, des Inhalts und des Status sowie zu der Beziehung zu anderen Rechtsbegriffen. Und so ist es bis heute geblieben. Manche meinen, das Konzept sei nicht mehr aktuell, da es in der Praxis (etwa beim Abbau von Ressourcen am Meeresboden) nicht angewendet und von späteren modernen Umweltübereinkommen abgelehnt wurde. Andere hingegen halten es für ein allgemeines Prinzip des internationalen Rechts mit fortdauernder Bedeutung.
Die eskalierende globale ökologische Zerstörung unterstreicht die anhaltende Bedeutung des Konzepts vom »Gemeinsamen Erbe der Menschheit«, trotz mangelnder Akzeptanz seitens der Nationalstaaten. Belege dafür finden sich in den zahlreichen Bemühungen, das »Gemeinsame Erbe der Menschheit« auf das natürliche und kulturelle Erbe, die Ressourcen des Meeres, die Antarktis sowie globale ökologische Systeme wie die Atmosphäre (Taylor 1998) oder das Klimasystem anzuwenden.
Ursprünge des Konzepts
Erörterungen zum Thema beginnen meist mit der Rede des maltesischen Botschafters Arvid Pardo (1914-1999) an die Vereinten Nationen im Jahre 1967. Pardo hatte vorgeschlagen, den Meeresgrund über den nationalen Zuständigkeitsbereich hinaus als gemeinsames Erbe der Menschheit zu betrachten. So wurde die Rede unter anderem der Auslöser für die späteren Verhandlungen zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS III) von 1982, weswegen man Arvid Pardo auch den »Vater des Seerechtsübereinkommens« nennt. Aber das Gemeinsame Erbe der Menschheit hat eine viel längere Geschichte, von der Pardo Gebrauch machte, als er es als Rechtsbegriff für die Ozeane entwickelte. Andere, darunter die Schriftstellerin und Umweltaktivistin Elisabeth Mann Borgese1 (1918-2002), hielten das Gemeinsame Erbe der Menschheit für ein ethisches Konzept, das für eine neue Weltordnung zentral sei und auf neuen Formen der Kooperation, der Wirtschaftstheorie und der Philosophie aufbaue. Dieser Blick in die Geschichte ist wichtig, um den ethischen Kern des Gemeinsamen Erbes der Menschheit deutlich zu machen: nämlich die Verantwortung der Menschen, für die Umwelt – deren Teil wir sind – zu sorgen und sie für gegenwärtige und künftige Generationen zu schützen.
Ein Entwurf für eine Weltverfassung aus dem Jahre 1948 sah vor, dass die Erde und ihre Ressourcen zum gemeinsamen Eigentum der Menschheit gehören sollten und zum Nutzen aller zu bewirtschaften seien. Bedenken hinsichtlich der Nutzung der Nukleartechnologie für militärische und friedliche Zwecke führten zudem zu dem Vorschlag, sogar die nuklearen Ressourcen als gemeinsamen Besitz anzusehen, der gemeinsam bewirtschaftet werden sollte.
Auch im UN-Weltraumvertrag von 1967 hat das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit Spuren hinterlassen. Zwar regelt der Vertrag die staatliche Erforschung und Nutzung des Weltraums, des Mondes und anderer Himmelskörper. Doch erst im Kontext der Herausbildung des Seerechts bekam das Konzept tatsächlich Gewicht. Die World Peace through Law Conference von Genf im Jahr 1967 bezeichnete die Hochsee als das »Gemeinsame Erbe der Menschheit« und erklärte, dass der Meeresboden unter die Hoheit und Kontrolle der UNO gestellt werden sollte.
Das Seerecht revolutionieren
Es war die Sorge über die Auswirkungen neuer Technologien, über die Militarisierung, die Ausdehnung staatlicher Eigentumsansprüche (zum Beipsiel Festlandsockel- und ausschließliche Wirtschaftszonen), die wachsenden Disparitäten und die damit verbundenen Gefahren für die langfristige Sicherheit, die Arvid Pardo zu der Idee anregten, dass jeglicher Raum der Meere (das heißt die Meeresoberfläche, die Wassersäule, der Meeresboden und sein Untergrund sowie lebende Ressourcen) zum gemeinsamen Erbe der Menschheit deklariert werden sollten, gleichgültig, ob nationale Hoheitsansprüche bestehen oder nicht. Die Absicht war, den veralteten Rechtsbegriff der »Freiheit der Meere« zu ersetzen, indem man die Meere zu internationalen Commons erklärte. (Gebiete mit bedeutenden natürlichen Ressourcen, die jenseits der Hoheitsgebiete souveräner Staaten liegen, werden als internationale Commons bezeichnet.)
Der Rechtsbegriff »Freiheit der Meere«, entwickelt vom niederländischen Juristen Hugo Grotius (1583-1645), bedeutet auch freien Zugang, was eine Laisserfaire-Haltung in der Ressourcennutzung erlaubt. Die wenigen existierenden Restriktionen dienen hier lediglich dazu, die Interessen der Staaten sowie letztlich die freie Nutzung zu protegieren.
Eigentlich könnten der Meeresraum und seine Ressourcen jenseits einer bestimmten Grenze nicht Eigentum von Staaten sein, wenn sie als Gemeinsames Erbe der Menschheit, als Commons, begriffen würden. Das Meer wäre offen für die internationale Staatengemeinschaft, doch seine Nutzung würde einer internationalen Verwaltung im Interesse des Allgemeinwohls und der gesamten Menschheit unterliegen. Dort, wo Gebiete des Meeres und deren Ressourcen in nationalen Hoheitsgebieten liegen, würden Staaten die Nutzung regeln, doch auch hier zum Wohle der gesamten Menschheit und nicht nur im nationalen Interesse. Dieser Ansatz geht von der Einheit der Meere als ökologische Systeme aus und lehnt sowohl die Freiheit im Sinne des Laisser-faire als auch die uneingeschränkte staatliche Souveränität ab. Es gab auch Bemühungen, mit Hoheitsfragen so umzugehen, dass eine einzige Demarkationslinie zwischen nationalem und internationalem Meeresraum geschaffen würde – siehe den Entwurf zum Ocean Space Treaty von 1971 –, um sich allmählich ausweitende Ansprüche nationaler Hoheit zu unterbinden.
Das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit sollte ursprünglich das Seerecht revolutionieren, da es für alle Meere und Meeresressourcen gelten sollte. Aber Arvid Pardo erkannte bereits 1967, dass mächtige Staaten, die ihre Souveränität auf größere Gebiete des Meeres und mehr Ressourcen ausdehnen wollten, dies ablehnen würden. Indem man sich schließlich auf einen Rechtsstatus des weitaus stärker begrenzten »Meeresbodens« jenseits nationaler Hoheit konzentrierte, wollte man sicherstellen, dass der Begriff des Gemeinsamen Erbes der Menschheit innerhalb der UN zumindest Fuß fassen konnte.
Der Vorschlag von Malta aus dem Jahr 1967 führte zu einer Reihe wichtiger Entwicklungen – darunter die Erklärung der Grundsätze für den Meeresgrund und den Meeresuntergrund jenseits nationaler Hoheitsbefugnisse, die 1970 von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde. Die Erklärung legte die zur Umsetzung der Idee eines gemeinsamen Erbes der Menschheit erforderlichen Grundsätze dar und half, einen Konsens für die Verhandlung einer neuen Seerechtskonvention, UNCLOS III, herzustellen. Das Ergebnis war letzten Endes aber eine weitaus eingeschränktere Anwendung des Konzepts, als jemals von seinen Befürwortern beabsichtigt gewesen war. UNCLOS III hat das gemeinsame Erbe der Menschheit auf ein paar Steine beschränkt (zum Beispiel mineralische Ressourcen wie Manganknollen), die auf dem Meeresboden der Tiefsee liegen.
Teil XI der Seerechtskonvention befasst sich mit dem Meeresboden jenseits der nationalen Hoheitsgebiete. Artikel 136 erklärt dieses Gebiet und seine Ressourcen (und nur das) als »Gemeinsames Erbe der Menschheit«. Sie dürfen nach Artikel 137 von keinem Staat und keiner Person eingefordert, angeeignet oder zum Eigentum erklärt werden. Alle Rechte an den Ressourcen gehören der gesamten Menschheit (Artikel 140). Die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) garantiert die gleichberechtigte finanzielle Teilhabe und Beteiligung an dem Nutzen aus Tätigkeiten in dem entsprechenden Gebiet, wobei die Interessen von Entwicklungsländern besonders zu berücksichtigen sind. Die Förderung der Forschung des Technologietransfers für Entwicklungsländer sowie der Schutz des ökologischen Gleichgewichts sind wichtige Aufgaben der IMB (Artikel 143-145).
Die Regelungen in Teil XI der Seerechtskonvention schaffen ein internationales Verwaltungs- und Managementregime für lediglich einen kleinen Teil der internationalen Commons: das Schutzgebiet und seine Ressourcen. Die Freiheit der Meere (Teil VII) wurde aber nicht ersetzt; die beabsichtigte revolutionäre Ände rung des Seerechts kam nicht zu Stande. In den 1970er-Jahren war man der Überzeugung, die wirtschaftlich attraktivsten mineralischen Ressourcen dieses Gebietes seien Manganknollen. Daher war Pardo der Ansicht, dass das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit in seiner Anwendung auf »hässliche kleine Steine, die in den dunkelsten Tiefen der Schöpfung herumliegen«, reduziert worden sei. Trotz dieser strikten Begrenzung war die Anwendung des Konzepts immer noch revolutionär genug, um die Vereinigten Staaten von Amerika – neben anderen Gründen – zu veranlassen, UNCLOS III zunächst nicht beizutreten.
Bis heute hat es keine kommerzielle Ausbeutung des Gebietes2 und seiner Ressourcen gegeben. Gleichzeitig besteht der fragmentierte Ansatz der Hoheitsrechte über verschiedene Bereiche des Meeresraums weiter, trotz der unwiderlegbaren Einheit ökologischer Systeme.
Der Mondvertrag von 1979
Obwohl sich Aspekte des Konzepts des Gemeinsamen Erbes der Menschheit im Weltraumvertrag von 1967 wiederfanden, gab es erst 1979 eine klare Aussage dazu im Mondvertrag. Der Mondvertrag regelt die Erforschung und Ausbeutung der Ressourcen des Mondes. Artikel 11(1) erklärt, dass der Mond und seine natürlichen Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit seien. Auseinandersetzungen über die Einzelheiten eines internationalen Systems zum Abbau der Ressourcen, darunter Bestimmungen zum gerechten Vorteilsausgleich, hat man durch Vertagung auf Verhandlungen über ein künftiges Managementregime gelöst. Der Mondvertrag wurde nur von wenigen Staaten ratifiziert; dennoch kam er bereits zur Anwendung, um Ansprüche auf Eigentumsrechte mit der Begründung zurückzuweisen, dass der Vertrag ein allgemeines Rechtsprinzip beinhalte, das auf die Gesamtheit der internationalen Gemeinschaft anzuwenden sei – und nicht nur auf jene Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben.
Schlüsselelemente
Es gibt keine prägnante Definition des Konzepts des Gemeinsamen Erbes der Menschheit, über die vollständig Einigkeit herrscht. Entscheidend sind stets die Details des jeweiligen Vertragswerkes, das es zur Anwendung bringt. Allerdings gibt es eine Reihe von Schlüsselelementen:
- Kein Staat und keine Person darf sich Räume oder Ressourcen des gemeinsamen Erbes zum Eigentum machen (das Prinzip der Nicht-Aneignung). Man kann sie nutzen, aber nicht nach Belieben darüber verfügen, denn sie gehören als Teil des internationalen Erbes der gesamten Menschheit. Wenn sich das Gemeinsame Erbe der Menschheit auf Räume und Ressourcen innerhalb nationaler Hoheit bezieht, unterliegt die Ausübung der Souveränität der Pflicht, sie zugunsten des Allgemeinwohls zu schützen.
- Nutzungen des gemeinsamen Erbes sollen kooperativ und zugunsten der gesamten Menschheit geschehen. Dies wurde so interpretiert, dass es einer treuhänderischen Beziehung für den expliziten Schutz der Interessen der Menschheit bedarf – die sich von den Interessen einzelner Staaten oder privater Einheiten unterscheiden. Die Erträge (finanzieller, technologischer und wissenschaftlicher Art) aus dem Gemeinsamen Erbe der Menschheit sollen gerecht geteilt werden. Dies schafft eine Basis für die Begrenzung öffentlicher oder privater kommerzieller Erträge und für die Priorisierung der Verteilung an Dritte, darunter Entwicklungsländer (intragenerationelle Gerechtigkeit).
- Das gemeinsame Erbe soll friedlichen Zwecken vorbehalten sein (Verhinderung militärischer Nutzung).
- Das gemeinsame Erbe soll künftigen Generationen in prinzipiell nicht beeinträchtigtem Zustand überliefert werden (Schutz der ökologischen Integrität und intergenerationelle Gerechtigkeit).
- In den letzten Jahren haben diese Schlüsselelemente sichergestellt, dass das gemeinsame Erbe der Menschheit in der Arbeit internationaler Umweltjuristen weiterhin im Mittelpunkt steht. Sie alle sind der Ansicht, dass es viele wichtige Komponenten des Nachhaltigkeitskonzepts miteinander verbindet.
Auseinandersetzungen
Fast sämtliche Elemente des Gemeinsamen Erbes der Menschheit werden kontrovers diskutiert, da es alle Ressourcenmanagementregime von globaler Bedeutung in Frage stelle. Ganz gleich, wo sie sich befinden. Daher fordere es traditionelle Begriffe des internationalen Rechts heraus: etwa den Gebietserwerb, die Souveränität, die souveräne Gleichheit, die internationale Rechtspersönlichkeit oder die Allokation planetarer Ressourcen. Zugleich ist seit langem anerkannt, dass der für die Meere geschaffene Präzedenzfall das Potential hat, die Grundlage für die künftige Ordnung einer zunehmend verflochtenen Welt zu werden.
Doch inwieweit kann das gemeinsame Erbe der Menschheit die weitere Fragmentierung und Privatisierung der Commons (bzw. Einhegungen) verhindern und den rechtlichen Schutz des Allgemeinwohls an deren Stelle setzen? Die Meinungen gehen zum Beispiel darüber auseinander, ob das Element der Nicht-Aneignung die Anwendung des Konzepts auf global bedeutsame Räume und Ressourcen (zum Beispiel Regenwälder) innerhalb des Territoriums souveräner Staaten verhindert oder nicht. Das Element der gerechten Nutzung (oder des gerechten Vorteilsausgleichs), welches vorschreibt, das Erträge aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes gerecht geteilt werden müssen, hat sich ebenfalls als polarisierend erwiesen, insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie Unternehmen. Entwicklungsländer halten dieses Element für den Schlüssel der Verteilungsgerechtigkeit. Industrieländer und kommerzielle Interessenten betrachten es als mögliches Hemmnis für Investitionen und Marktanreize. Sie favorisieren Lizenzvereinbarungen, um privaten Unternehmen die Ressourcenausbeutung zu gestatten. Das Übereinkommen von 1994 zur Durchführung des Teiles XI der UN-Seerechtskonvention (eine Ergänzung der Konvention) wird allgemein negativ bewertet, denn es habe die Verteilungselemente des ursprünglichen Regimes zugunsten kommerzieller Interessen ausgehöhlt. Deshalb und wegen der Erfahrungen aus anderen Debatten lehnen viele das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit als Grundlage für UN-Vertragswerke zum Klimawandel oder zum Schutz der biologischen Vielfalt ab.
Die UN-Klimarahmenkonvention aus dem Jahr 1992 besagt, dass das Problem des Klimawandels »die ganze Menschheit mit Sorge erfülle«. Der ursprüngliche Vorschlag Maltas war ein Vertrag, der das Klimasystem zu einem Teil des Gemeinsamen Erbes der Menschheit erklärte, aber er wurde abgelehnt. Entwicklungsländer lehnten zudem die Verwendung des Konzepts im UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt aus dem Jahr 1992 ab, denn sie sahen ihre souveränen Rechte, die biologischen Ressourcen auf ihren eigenen Territorien nutzen und davon profitieren zu können, potentiell gefährdet. Sie hatten den Verdacht, dass das Argument des Umweltschutzes oder der (gemeinsamen) geistigen Eigentums-rechte nur als Vorwand für Einmischung dienen würde.
Anwendungen und Ausblick
Im Laufe der Jahre ist das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit auf verschiedene Ressourcen und Räume angewandt worden: Fischgründe, die Antarktis, die arktische Landschaft, geostationäre Erdumlaufbahnen, genetische Ressourcen sowie Grundnahrungsmittel. In jüngster Vergangenheit hat die UNESCO viele Initiativen unterstützt (Erklärungen, Konventionen und Protokolle), die das natürliche und kulturelle Erbe als das Gemeinsame Erbe der Menschheit anerkennen. Das »natürliche und kulturelle Erbe« beinhaltet materielle und immaterielle Elemente, von archäologischen Stätten und historischen Monumenten über kulturelle Phänomene (etwa Literatur, Sprache und Sitten und Gebräuche) bis hin zu natürlichen Systemen einschließlich Inseln, Biosphärenreservaten und Wüsten. Ein neuer Bereich, auf den das Gemeinsame Erbe der Menschheit angewandt werden könnte, ist das menschliche Genom. Dies könnte seine Patentierung durch Unternehmen verhindern.
Aus ökologischer und intergenerationeller Sicht kann man argumentieren, dass es sich bei der Erde selbst um ein globales Commons handelt, das von jeder Generation zu teilen ist, und dass das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit »auf alle internationalen natürlichen und kulturellen Ressourcen ausgeweitet werden soll, die für das Wohlergehen künftiger Generationen von Bedeutung sind, wo auch immer sie sich befinden« (Weiss 1989; Taylor 1998).
Kurzfristig und aus der Perspektive staatlichen Handelns sowie laufender Vertragsverhandlungen betrachtet, wird die künftige Anwendung des Konzepts wahrscheinlich begrenzt sein. Völkerrechtler sehen es – über UNCLOS III und den Mondvertrag hinaus – als lediglich politisch motivierten Ausdruck schöner Hoffnungen. Zu den Themen, die in Kürze die Verpflichtung von Staaten auf das Gemeinsame Erbe der Menschheit auf den Prüfstand stellen werden, gehören der Status der lebenden Meeresressourcen, Ansprüche auf den Meeresboden unter dem schmelzenden Eis der Arktis sowie der Status der Ölreserven unter dem Meeresboden der Tiefsee. In diesem Kontext ist das Gemeinsame Erbe der Menschheit gegenwärtig die einzige Alternative zur »Freiheit der Nutzung«, ergo der Aneignung durch einzelne Staaten. Das Prinzip erkennt die gegenseitige Abhängigkeit von Ökosystemen und menschlicher Nutzung an. Daher hat es viel mit Ansätzen zum Ökosystemmanagement gemein, deren Ziel es ist, fragmentarische, ressourcenspezifische Managementregime zu überwinden.
Das gemeinsame Erbe der Menschheit ist zudem relevant für die breitere Debatte über die Transformation der Rolle des Staates. Weg vom Fokus auf den Schutz nationaler Interessen, hin zur Gemeinsamen Verantwortung für den Schutz ökologischer Systeme, wo auch immer sie sich befinden – im Interesse der ganzen Menschheit. Staaten mögen zurückhaltend sein, wenn sie gefordert sind, sich mögliche Anwendungen des Gemeinsamen Erbes der Menschheit zu eigen zu machen, aber das Völkerrecht ist nicht mehr die alleinige Domäne von Staaten und Völkerrechtlern. Die globale Zivilgesellschaft spielt eine zunehmende Rolle in der Entwicklung von und im Engagement für solche Ideen.
Das Gemeinsame Erbe der Menschheit verbindet sich mit dem wiedererstarkenden Interesse an Ideen wie Weltbürgerschaft, globale Verfassung, globale ökologische Bürgerschaft und Fairness. Sie alle sind Teil der Suche nach gemeinsamen ethischen Prinzipien für eine friedlichere und nachhaltigere Zukunft (The Earth Charter Initiative 2000).
Dieser Beitrag ist eine adaptierte Version von: Taylor, Prue (2011): »Common Heritage of Mankind Principle«, in: Bosselmann, Klaus/Fogel, Daniel/Ruhl, J.B. (Hg.): The Encyclopedia of Sustainability, Vol. 3: The Law and Politics of Sustainability, Great Barrington, MA: Berkshire Publishing, S. 64-69.
Literatur
- Committee to Frame a World Constitution (1948): Preliminary Draft of a World Constitution, as Proposed and Signed by Robert M. Hutchins [and others], Chicago.
- Mann, Borgese/Mann, Elisabeth (2000): »Arvid Pardo (1914-1999): In Memoriam«, in: Mann, Elisabeth/Mann, Borgese et al. (Hg.): Ocean Yearbook (14. Auflage), Chicago, S. xix-xxxviii.
- Pardo, Arvid (1967): Address to the 22nd Session of the General Assembly of the United Nations, U.N. GAOR, U.N. Doc. A/6695.
- Pardo, Arvid (1975): The Common Heritage: Selected Papers on Oceans and World Order 1967-1974, Msida.
- Sand, Peter H. (2004): »Sovereignty Bounded: Public Trusteeship for Common Pool Resources?«, in: Global Environmental Politics, 4(1), S. 47-71.
- Taylor, Prue (1998): An Ecological Approach to International Law: Responding to Challenges of Climate Change, London.
- Türk, Helmut (2010): »The Idea of Common Heritage of Mankind«, in: Martínez Gutiérrez, Norman A. (Hg.): Serving the Rule of International Maritime Law: Essays in Honour of Professor David Joseph Attard, Oxfordshire, S. 157-175.
- Weiss, Edith B. (1989): In Fairness to Future Generations: International Law, Common Patrimony, and Intergenerational Equity, Tokyo.
- Wolfrum, Rüdiger (2008): Common Heritage of Mankind, http://www.mpepil.com (Zugriff am 02.07.2010).
Verträge und Resolutionen
- Erklärung über die Rechtsgrundsätze für das Verhalten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums (13. Dezember 1963), GAOR, 18. Sitzung Supp. No. 15, 15.
- Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (angenommen am 9. Mai 1992,
in Kraft getreten am 21. März 1994). - Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1962 (XVIII).
- Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 2749 (XXV), Erklärung
von Grundsätzen für den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse, U.N. GAOR, 25. Sitzung, Supp. No. 28, 24. U.N. Doc. A/8028 (1970). - Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (abgeschlossen am 10. Dezember 1982, in Kraft getreten am 16. November 1994), 1833 UNTS 397.
- The Earth Charter Initiative (2000), online unter: http://www.earthcharterin action.org/content/pages/Read-the-Charter.html (Zugriff am 02.08.2010).
- Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention, angenommen am 22. Mai 1992, in Kraft getreten am 29. Dezember 1993).
- Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (angenommen am 16. November 1972, in Kraft getreten am 17. Dezember 1975), 1037 UNTS 151.
- Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (Weltraumvertrag, angenommen am 5. Dezember 1979, in Kraft getreten am 11. Juli 1984), 1363 UNTS 3.