Ein Vernetzungsinstrument1
Javier de la Cueva, Bastien Guerry, Samer Hassan und Vicente J. Ruiz Jurado
Überall gibt es Initiativen, die Commons schaffen und fördern, sei es Freie Kultur, die Produktion von offenen Bildungsressourcen, den »Open Educational Resources« (OER), lokale Saatgutbanken oder Projekte zur Wiederaneignung der Stadt. Allerdings erreichen nur wenige einen großen Bekanntheitsgrad und eine kritische Masse. Die meisten verbleiben in ihrer sozialen oder politischen Nische und werden vom Mainstream mehr oder weniger ignoriert. Dabei gibt es viele Menschen, die sich gern dafür engagieren würden, die Welt zu verändern. Sie wissen bloß nicht, welche Initiativen sie unterstützen könnten und wie sie zu finden sind. Von außen betrachtet erscheint es schwierig, einen Überblick über die Vielfalt der Organisationen zu bekommen. Und am Ende ist es meist so, dass die Menschen jene großen Nichtregierungsorganisationen unterstützen, die genügend Ressourcen haben, um Werbung und Marketing zu finanzieren. Kleine, lokale Initiativen können dann häufig ihr Potential nicht entwickeln, auch wenn es enorm ist.
Move Commons ist ein neues Webtool, das versucht, diese Situation zu verändern. Move Commons will die Sichtbarkeit kleiner sozialer Initiativen erhöhen und gleichzeitig ein Netzwerk ähnlicher Initiativen rund um den Globus aufbauen. Als Entwickler dieses Tools sind wir davon überzeugt, dass es den Engagierten hilft, voneinander zu erfahren; es kann die Entwicklung neuer Projekte erleichtern und verschiedene Bewegungen dabei unterstützen, eine »kritische Masse« zu erreichen.
Wie funktioniert Move Commons?
Move Commons hilft Initiativen, Kollektiven, Nichtregierungsorganisationen, gemeinnützigen Organisationen und sozialen Bewegungen, ihre Kernprinzipien auf einfache Weise zu veröffentlichen. Der dazu eingesetzte Mechanismus ähnelt dem von Creative Commons.2 Creative Commons ermöglicht es zum Beispiel Autoren, ihre Werke mit Icons zu kennzeichnen, die für bestimmte Nutzungsrechte stehen. Move Commons liefert nun einen Satz von »Labels« für soziale Initiativen und setzt auf ein nutzerfreundliches, von unten nach oben aufgebautes System. Die Labels bestehen aus vier Icons mit komplementären Schlagwörtern (zum Beispiel der Arbeitsbereich der Organisation, Forschungsthemen, geographische Lage etc.). Wie bei den CC-Lizenzen verwenden Move-Commons-Icons RDFa-Tags – also Metadatenprotokolle, die die Auffindbarkeit der Projekte und Organisationen im Internet erleichtert. Projekte können auf der Move-Commons-Seite »Plaketten« auswählen, die die Art ihrer Aktivitäten genau beschreiben, und das dadurch generierte Logo (eine Kombination aus vier Icons, siehe Abb. unten) auf der eigenen Webseite platzieren. Internetsurfer erkennen so auf einen Blick prinzipielle Eigenschaften der Initiative, denn die Icons beantworten mehrere Fragen: Handelt es sich um eine nicht gewinnorientierte Initiative? Ist sie transparent? Kann ich die von der Initiative produzierten Inhalte frei verwenden? Wie ist sie intern organisiert? Stärkt sie die Commons?
Wenn eine Plakette für die eigene Webseite generiert wird, bekommt man von Move Commons nicht nur die leicht verständlichen Icons. Man erhält außerdem einen maschinenlesbaren »semantischen Code«, der die eigenen Informationen enthält. Auch dieser Code wird auf der eigenen Webseite platziert.3 Er ermöglicht es Suchmaschinen, Webseiten mit Move-Commons-Plaketten zu identifizieren und zu »verstehen« und so Recherchen wie »Ich suche eine Graswurzelorganisation in Kairo, die nicht gewinnorientiert ist und Creative-Commons-Inhalte in den Bereichen ›Umweltbildung‹ und ›Kinder‹« möglich zu machen. (Die Themen, Schlagwörter und Orte können beliebig ausgetauscht werden.) Wenn diese Suchanfrage Ihre Initiative beschreibt, ermöglicht der semantische Code das Auffinden Ihrer Webseite, und sie würde in den Suchergebnissen erscheinen. So können Projekte weltweit ähnliche Initiativen finden und mit ihnen zusammenarbeiten. Potentielle Freiwillige können leichter eine Initiative identifizieren, die sie interessiert, auch wenn sie klein ist und sich nicht »selbst vermarkten« kann.
Die Move-Commons-Labels
Die vier Labels, die wir für jede Initiative vorschlagen, sind wie folgt:
»nicht gewinnorientiert«, »reproduzierbar«, »Basisorganisation« und »stärkt Commons«.
- »Nicht gewinnorientiert« bedeutet, dass die Initiative gemeinnützigen Charakter hat.
- »Reproduzierbar« heißt, dass die Initiative es anderen leicht macht, sie zu »klonen«. Die Initiative dokumentiert Prozesse und teilt ihre Inhalte mit anderen, die sie weiterverwenden dürfen. So können andere ihren Fußstapfen folgen und Probleme vermeiden, die woanders bereits gelöst sind.
- »Basisorganisation« bedeutet, dass die Strukturen der Initiative so horizontal wie möglich, also hierarchische Strukturen minimal sind oder nicht existieren und sich die Mitglieder oder Nutzer an der Entscheidungsfindung beteiligen, statt Anweisungen von »oben«, etwa eines Vorstandes, zu folgen.
- »Stärkt Commons« bedeutet, dass die Initiative zum Ziel hat, Commons zu stärken. Vielleicht arbeitet sie an einem Umweltprojekt. Oder sie schreibt Freie Software. Oder sie verbreitet frei lizensierte Lerninhalte. In allen Fällen stärkt sie Commons, und die Menschen sollten davon wissen. (Für die Zukunft schwebt uns vor, dass flexible Dienste die Crowd-Validierung dieses von den Initiativen selbst gewählten Labels anbieten könnten.)
Vertrauen und Validierung
Move Commons ist ein System, bei dem die Nutzer, also die Initiativen, selbst entscheiden, welche Icons bzw. Kategorien sie anwenden, weil sie ihnen entsprechen. Dies ist tatsächlich anders als Systeme, bei denen zentrale Institutionen formale Zertifizierungen ausstellen. Solche Systeme bauen darauf, dass die Nutzer dem Aussteller der jeweiligen Zertifizierung vertrauen (zum Beispiel die Garantie des gemeinnützigen Status einer Stiftung). Das ist ein Weg. Allerdings gibt es viele Probleme mit der tatsächlichen Vertrauenswürdigkeit und Legitimität dieser Institutionen.
Innerhalb eines Move-Commons-Ökosystems sind es die Initiativen selbst, die sich die Kategorien zuordnen. Es gibt keine »zentralisierte zertifizierende Institution«. Es könnte deshalb natürlich auch Initiativen geben, die sich – irrtümlich oder absichtlich – falsche Kategorien zuordnen, zum Beispiel als Basisinitiativen ausgeben, auch wenn dies nicht der Fall ist. Um dem vorzubeugen, wäre es notwendig, wenn es für jede Kategorie klare Kriterien gäbe sowie ein Verfahren der Crowd-Validierung durch die jeweilige Community.4
So könnte man »selbstzertifizierte« Icons auch korrigieren. Solche Verfahren bedürfen aber einer offenen Infrastruktur und würden sie fortführen, denn die Basisversion von Move Commons enthält kein Validierungsverfahren. Das hält Move Commons flexibel und es erlaubt die Integration von Lösungen durch Dritte.
Die kritische Masse erreichen
Ziel des Move-Commons-Labels ist es, Gemeinschaften, Gruppen und Initiativen dazu zu bewegen, über ihre Arbeit nachzudenken und diese Arbeit eventuell sogar in Richtung der Ideale, die hinter den vier Labels stehen, zu verschieben. Die Frage »Wie könnten wir reproduzierbar werden?« kann dazu motivieren, weiter zu fragen: »Was sollten bzw. können wir tun, um es zu sein und somit einen Beitrag zu den Commons zu leisten?« »Sind wir horizontal genug, um als Basisorganisation zu gelten? Warum nicht?«
Die Labels helfen Menschen, kleine lokale Initiativen zu entdecken, und ermutigen sie, an Projekten mitzuarbeiten, die ihren Interessen und Leidenschaften entsprechen. Der wichtigste Aspekt aber ist: Freiwillige und Spender können feststellen, dass »sie nicht allein dastehen«. Move-Commons-Labels können Initiativen dabei unterstützen, eine kritische Größe zu erreichen, Doppelarbeit zu vermeiden, Fehler und Erfolge zu teilen und größeren Netzwerken beizutreten.
Die treibende Kraft hinter Move Commons sind ein paar Freiwillige, die lizenzfreie Tools entwickeln, um die Commons zu fördern. Ihre Arbeit wird vom Comunes-Kollektiv (http://comunes.org), einer gemeinnützigen spanischen Organisation, unterstützt. Bis Ende 2011 war Move Commons in der Alpha-Entwicklungsphase. Geplant ist, das Formular für die Zusammenstellung der Plaketten zu verbessern und eine mit Move Commons kompatible Suchmaschine zu entwickeln. Sobald dies geschehen ist, können Dritte ihre Dienste auf das Netzwerk der mit MoveCommons-Labeln versehenen Initiativen setzen, zum Beispiel Empfehlungssysteme für Initiativen, Landkarten, Netzwerkvisualisierung und Web-Widgets. Move Commons ist völlig dezentral. Jede und jeder kann die Plaketten generieren, und jede Suchmaschine kann den semantischen Code verfolgen. Wir werden kein zentraler Knoten werden! Für offene, digitale Commons-Plattformen ist dies essentiell.
Weblink: http://movecommons.org/
- Der mit den Commons verbundene Tatendrang zeigt sich exemplarisch in diesem von jungen Hackern entwickelten Projekt, das sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Es geht um Ideen, die Commoning durch Nutzung digitaler Werkzeuge einfacher machen (Anm. der Hg.). ↩
- Mike Linksvayer erklärt in seinem Beitrag zu diesem Band die Creative-Commons-Lizenzen (Anm. der Hg.). ↩
- »Semantischer Code« besteht aus Metadaten, die in Webseiten eingebettet sind. Ihr Zweck ist, maschinenlesbares Suchen und die Organisation von Informationen zu erleichtern. Dadurch können Internetnutzer auf schnellere und intelligentere Weise Informationen abrufen. ↩
- Ein Lösungsvorschlag findet sich im fünften Kapitel des Buchs The Evolution of Reputation von Howard Rheingold. ↩